Italo Calvino
Italo Calvino war einer der bedeutendsten italienischen Schriftsteller der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Viel seiner Bücher sind heute in Italien sogar Schullektüre.
Foto: Johan Brun, 07.04.1961 in Oslo
Calvino wurde am 15.10.1923 in Santiago de las Vegas auf Kuba geboren, wo seine Eltern aus dienstlichen Gründen lebten, und starb am 19.9.1985 in Siena. Seit seinem 2. Lebensjahr wuchs er in San Remo auf. Sein Elternhaus war aufgeklärt und naturwissenschaftlich geprägt: seine Eltern arbeiteten in der naturwissenschaftlich-ökologischen Forschung und Praxis.
Calvino begann ein Studium der Agrarwissenschaft in Turin. Nach dem Waffenstillstand 1943 wurde er Antifaschist und und schloss sich 1944 der Kommunistischen Partei Italiens und deren Partisanengruppe „Brigate Garibaldi“ an.
Nach dem Krieg studierte der junge Calvino Literaturwissenschaften und begann, seine Erfahrungen in der Resistenza literarisch zu verarbeiten. Er engagierte sich für den linksliberalen Verlag Einaudi zuerst als Verkäufer, nachher in der Werbeabteilung und dann im Lektorat. Sein erster, teils autobiographischer Roman Il sentiero dei nidi di ragno (Wo Spinnen ihre Nester bauen) erschien 1947 bei Einaudi.
1951 unternahm Calvino als Mitglied der KPI eine längere Reise in die Sowjetunion, über die er in einem Reisetagebuch berichtete. Dafür erhielt er seinen ersten Literaturpreis. Mit dem Roman Il visconte dimezzato von 1952 (Der geteilte Visconte) wandte er sich der allegorisch-phantastischen Literatur zu. Gleichzeitig begann er, italienische Volksmärchen zu sammeln und in ein allgemein verständliches Italienisch zu übersetzen. Die 1956 veröffentlichten Fiabe italiane sind das italienische Gegenstück zu den Märchen der Brüder Grimm.
Zu der Zeit distanzierte sich Calvino immer mehr von der KPI, die sich eng an die KpdSU anlehnte und verließ die italienische Partei 1957.
In dem Jahr erschien auch der Roman Il barone rampante (Der Baron auf den Bäumen), der dem Italiener auch internationale Anerkennung verschaffte. 1959 folgte Il cavaliere inesistent (Der Ritter, den es nicht gab), diese 3 Romane bilden eine Trilogie, die oft nachgedruckt wurde.
1964 heiratete er auf Kuba die argentinische Dolmetscherin Esther Judith Singer genannt Chichita, mit der er 1965 in Rom die Tochter Giovanna bekam.
Von 1967 bis 1980 lebte Calvino in Paris. Dort entstand u.a. 1972 Le città invisibili (Die unsichtbaren Städte), ein hoch komplexes Werk aus 55 Miniaturen in einer Rahmenerzählung. 1979 erschien sein komplexester und zugleich unterhaltsamster Roman Se una notte d’inverno un viaggiatore (Wenn ein Reisender in einer Winternacht). Dieser Roman wurde auch außerhalb Italiens sein wohl größter Erfolg. Es handelt sich um ein Spiel mit nahezu allen literarischen Gattungen des 20. Jahrhunderts. 1980 kehrte Calvino nach Rom zurück und 1983 erschien Calvinos letztes von ihm selbst veröffentlichtes Buch Palomar (Herr Palomar).
1984 erhielt der Schriftsteller die Einladung, an der Harvard-Universität die Charles Eliot Norton Poetry Lectures zu halten. Diese Poetik-Vorlesungen wollte er zu einer Art Manifest seiner Idee von Literatur am Ende des 20. Jahrhunderts machen. Fünf der geplanten sechs Vorlesungen waren fertig, als Calvino am 6.9.1985 einen Gehirnschlag erlitt, ins Koma fiel und am 19.9. nicht mehr erwachte. Die Harvard-Vorlesungen wurden 1988 unter dem Titel Lezioni americane: Sei proposte per il prossimo millennio veröffentlicht und in Italien zu einem echten Bestseller.
Calvino war auch ein politischer Autor, wie viele seiner Erzählungen aus der Zeit des antifaschistischen Widerstands und der Nachkriegsjahre zeigen. (Heidemarie Zentgraf)
Beachten Sie auch den Lesemarathon am 07.03.2023, der Italo Calvino gewidmet ist.