Lyrikecke

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Spätherbst in Venedig

Nun treibt die Stadt schon nicht mehr wie ein Köder,

der alle aufgetauchten Tage fängt.

Die gläsernen Paläste klingen spröder

an deinem Blick. Und aus den Gärten hängt

 

der Sommer wie ein Haufen Marionetten

kopfüber, müde, umgebracht.

Aber vom Grund aus alten Waldskeletten

steigt Willen auf: als sollte über Nacht

 

der General des Meeres die Galeeren

verdoppeln in dem wachen Arsenal,

um schon die nächste Morgenluft zu teeren

 

mit einer Flotte, welche ruderschlagend

sich drängt und jäh, mit allen Flaggen tagend,

den großen Wind hat, strahlend und fatal.

 

Rainer Maria Rilke (1875-1926)

Ausgewählt von Wolfgang Gerster

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