Friaul – die „Toscana des Nordens“
Wenn man nicht direkt in die italienischen Metropolen fliegt, fährt man meistens über die Schweiz oder den Brenner gen Süden. Allenfalls macht man Richtung Osten noch einen Abstecher ins Veneto. Wir haben kürzlich die Alpen im Nordosten überquert und ein paar Tage im Friaul in und um Udine verbracht.
Und wir waren überrascht. Das Friaul hat eine Menge zu bieten: Kulinarisches, Kulturelles, Künstlerisches und eine interessante Landschaft. Udine hat uns stark an das Stadtleben in unserer Partnerstadt Pavia erinnert. Es gibt eine Unmenge an Bars und Ristoranti, in denen typische regionale Produkte serviert werden. Die Küche bietet viel Fisch und Fleisch, Polenta sowie exzellente Weine aus der Umgebung. Vor allem die Weißweine zählen zu den besten Italiens und haben zum Teil weltweiten Ruf. Es gibt viele autochthone Rebsorten wie z. B den „Friulano“. Er wird auf riesigen Weinfeldern angebaut, so weit das Auge reicht. Erst weiter im Osten an der Grenze zu Slowenien findet man klassische Weinberge in Hügellandschaften wie in der Toscana. Die Voraussetzungen für Weinbau sind ideal. Von Norden bieten die Alpen Schutz und vom Süden weht oft ein milder Adria-Wind. Der Boden ist zwar steinig (duro) und aufwendig zu bearbeiten, aber wasserdurchlässig und mineralhaltig. Der Tagliamento bringt der Region ausreichend Wasser und gilt als einziger großer, unbegradigter Wildfluss der Alpen.
Und überall gibt es zum Weißwein den berühmten San Daniele-Schinken. San Daniele ist ein Vorort von Udine, in dem diese luftgetrocknete, ca. 2 Jahre gereifte Köstlichkeit in zahlreichen Manufakturen hergestellt wird. Viele Genießer (und auch wir) halten ihn für noch besser als den ebenso berühmten Parma-Schinken.
Fährt man durch die Ortschaften, so fällt auf, dass Häuser und Straßen einen sehr gepflegten Eindruck machen. Diese Gegend gehört zu den eher reichen Gebieten Italiens mit äußerst freundlichen, lebensfrohen und selbstbewussten Menschen. Hier trifft sich Mittel-, Süd- und Osteuropa und lebt mittlerweile friedlich und kooperativ zusammen.
Meerwasser gibt es natürlich auch reichlich, z. B. wenn man Trieste besucht. Hier spürt man förmlich die wechselvolle Geschichte der Stadt, die jetzt Hauptstadt des Friaul ist. Viele Gebäude des Wiener Klassizismus erinnern an die kuk-Monarchie, die hier den einzigen Adria-Zugang hatte. Auch die Kaffeekultur der Stadt ist berühmt und hat sogar eine eigene Sprache hervorgebracht. Z. B. heißt ein „caffè espresso“ hier „nero“. Wenn man noch Zeit für einen Abendspaziergang am Hafen mit Blick auf den Sonnenuntergang hat, könnte der Tag nicht schöner enden.
Noch etwas Besonderes: Die kleine Stadt Spilimbergo beherbergt die einzige Schule weltweit, die nach zahlreichen Prüfungen Mosaikmeister hervorbringt. Auszubildende nicht nur aus Italien können hier seit 100 Jahren die Theorie und Praxis des Mosaiklegens erlernen. Berühmte Mosaike aus dieser Schule befinden sich z. B. in der Grabeskirche in Jerusalem oder im Ground Zero in New York. Eine Führung durch die Schul- und Ausstellungsräume ist beeindruckend und äußerst empfehlenswert.
Das Selbstbewusstsein der Menschen im Friaul ist übrigens auch daran erkennbar, dass hier wie in Südtirol Orts- und Straßennamen zweisprachig sind. Neben Italienisch ist hier nämlich auch Friaulisch weitere Amtssprache. Also – wenn Sie mal wieder nach Italien kommen und nicht so weit in den Süden fahren wollen, besuchen Sie doch nicht nur Venedig und sein Umland, sondern auch das etwas abseits gelegene Friaul! Es lohnt sich …
(Gunde Arndt und Hans-Jürgen Blasig)